
Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Mercosur-Staatenbund (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) ist eines der größten seiner Art weltweit. Seit der politischen Einigung im Jahr 2019 steht das Abkommen jedoch still – es wurde bis heute nicht ratifiziert. Worum geht es konkret, wo liegen die Streitpunkte, und wann könnte es in Kraft treten?
Was ist das EU-Mercosur-Abkommen?
Das Abkommen soll einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit rund 780 Millionen Menschen schaffen und zielt darauf ab, Zölle abzubauen, Handelshemmnisse zu reduzieren und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Es wäre das erste umfassende Handelsabkommen der EU mit Südamerika.
Die zentralen Inhalte:
- Zollabbau: Die EU würde Zölle auf Industrieprodukte wie Autos, Maschinen oder Chemieprodukte schrittweise abschaffen.
- Im Gegenzug würde der Mercosur Zölle auf europäische Agrarprodukte wie Käse, Wein, Schokolade und Arzneimittel reduzieren.
Landwirtschaftlicher Handel:
- Mercosur-Staaten dürften größere Mengen von Rindfleisch, Geflügel, Zucker und Ethanol zollfrei in die EU exportieren.
- Besonders in der EU-Landwirtschaft wird das kritisch gesehen.
Marktzugang und Wettbewerb:
- EU-Unternehmen bekämen besseren Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in den Mercosur-Staaten.
- Geistiges Eigentum und Investitionsschutz sollen gestärkt werden.
Nachhaltigkeit:
- Ein Kapitel zu Umwelt- und Sozialstandards ist enthalten, doch Kritiker bemängeln fehlende Durchsetzbarkeit.
Warum ist das Abkommen noch nicht in Kraft?
Obwohl die politischen Verhandlungen 2019 abgeschlossen wurden, verweigern mehrere EU-Staaten bislang die Ratifizierung. Besonders Frankreich, Irland, Österreich und andere Länder stellen sich quer – aus folgenden Gründen:
Die Hauptkritikpunkte:
- Umweltschutz: Sorge vor verstärkter Abholzung des Amazonas, insbesondere während der Amtszeit von Ex-Präsident Bolsonaro in Brasilien. Auch heute bleibt der Schutz des Regenwalds ein zentrales Thema.
- Klimaschutz: Das Abkommen gilt als nicht ausreichend verbindlich in Bezug auf das Pariser Klimaabkommen.
- Landwirtschaft: Europäische Bauern fürchten unfaire Konkurrenz durch günstige Importe aus Südamerika.
- Menschenrechte: Indigene Gruppen und Arbeitsrechte stehen ebenfalls im Fokus der Kritik.
Aktueller Stand: Zusatzprotokoll soll Abhilfe schaffen
Seit dem Regierungswechsel in Brasilien zu Präsident Lula da Silva zeigt sich das Land offener für Kompromisse. Die EU arbeitet derzeit an einem Zusatzprotokoll, das konkrete Verpflichtungen zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Landwirtschaft enthalten soll.
Dieses Zusatzprotokoll könnte der Schlüssel sein, um kritische EU-Staaten doch noch zur Zustimmung zu bewegen.
Wann könnte das Abkommen in Kraft treten?
Ein genaues Datum lässt sich aktuell nicht nennen. Es gibt jedoch drei mögliche Szenarien:
- Vollständige Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedsstaaten und die Mercosur-Staaten (realistisch frühestens 2025).
- Vorläufiges Inkrafttreten einzelner Teile, z. B. im Bereich Handel, wenn diese nur in die Zuständigkeit der EU fallen.
- Komplettes Scheitern, sollte sich kein Konsens herstellen lassen.
Große Chancen, viele Hürden
Das EU-Mercosur-Abkommen bietet große wirtschaftliche Potenziale – sowohl für den europäischen Export als auch für die wirtschaftliche Entwicklung in Südamerika. Gleichzeitig steht es sinnbildlich für die Herausforderung, Handel und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden. Die kommenden Monate könnten entscheidend sein: Gelingt die Einigung über das Zusatzprotokoll, ist eine Ratifizierung ab 2025 denkbar.
Fotonachweis: Mercosur Vertreter 2017 in Buenos Aires – Mercosur Cultural – flickr – CC BY-SA 2.0